Die gute Seite der deutschen Mannschaft

Die Anhänger der deutschen Nationalmannschaft erlebten in den vergangenen Tagen ein Wechselbad der Gefühle. Auf eine enttäuschende Vorstellung gegen Frankreich folgte ein 4:2-Sieg gegen Portugal. Bundestrainer Joachim Löw blieb dabei trotz der überschaubaren Leistung gegen den amtierenden Weltmeister seiner Linie treu und setzte auch gegen die Portugiesen auf ein 3-4-3-System – mit Erfolg. 

Denn das 3-4-3 funktionierte insgesamt sehr gut gegen Portugals 4-2-3-1. Die Iberer standen zumeist recht tief im Pressing und hatten lediglich Cristiano Ronaldo ganz vorn positioniert. Doch obwohl das Augenmerk von Trainer Fernando Santos auf defensive Kompaktheit gelegt wurde, konnte Deutschland regelmäßig in den Zwischenlinienraum vor die Abwehrkette stoßen. Die Sechser Danilo Pereira und William Carvalho waren weniger präsent als für gewöhnlich und konnten die Pässe der Deutschen nicht abfangen. 

Dadurch wurde Portugals Viererkette enorm unter Druck gesetzt und musste sich darauf konzentrieren, die drei Stürmer der Deutschen entsprechend zu verteidigen. Das wiederum eröffnete für Deutschlands Flügelspieler ganz neue Möglichkeiten. Weil die Außenverteidiger Nélson Semedo und Raphaël Guerreiro oftmals stark eingerückt standen, hatten Robin Gosens auf links und Joshua Kimmich auf rechts jede Menge Platz. 

Gerade Gosens (LFL) wurde viel besser als gegen Frankreich ins Offensivspiel eingebunden. Immer wieder erreichten den Atalanta-Profi Diagonalbälle, die er im Rücken von Semedo verarbeiten konnte. Anschließend schoss er die Bälle entweder direkt auf das Gehäuse von Rui Patrício oder brachte Querpässe zum Fünfmeterraum. Der 26-Jährige war an drei der vier deutschen Treffer unmittelbar und am vierten mittelbar beteiligt. 

Doch es war nicht nur Gosens Galaauftritt, der Portugal in die Knie zwang. Die gesamte deutsche Offensivmaschinerie lief am Samstag auf Hochtouren. Gerade Spielmacher Toni Kroos nutzte die Freiräume, die ihm Gegenspieler Bruno Fernandes bot, und zog die Angriffe mit präzisen Pässen von hinten auf. Nebenmann Ilkay Gündoğan mag weniger auffällig gewesen sein, sorgte aber für Balance im deutschen Mittelfeld. 

Insgesamt wird mit Blick auf Deutschland unterschätzt, wie viele Passversuche ins letzte Drittel unternommen werden. Das deutsche Spiel wirkt gelegentlich behäbig oder auch risikoarm, aber Kroos und Co. probieren schon, den Ball flach in Richtung Strafraum zu bringen. Das müssen sie auch, gerade wenn es durch die Mitte geht, weil die Deutschen über keinen klassischen Mittelstürmer und damit physischen Zielspieler verfügen. Also heißt es: Der Ball soll flach in den Fuß von Kai Havertz, Thomas Müller oder Serge Gnabry gelangen, wenn die Angriffe mal nicht über die Flügel gefahren werden. 

In Voraussicht auf das letzte Gruppenspiel Deutschlands gegen Ungarn bleibt aber trotz der guten Vorstellung gegen Portugal Vorsicht geboten. Die Deutschen wirkten immer noch hier und da konteranfällig – so gesehen beim portugiesischen Führungstreffer durch Cristiano Ronaldo nach Vorarbeit von Diogo Jota und Bernardo Silva. 

Die Ungarn werden in ihrem 5-3-2-System den Deutschen viel weniger Räume auf den Außenbahnen anbieten, als das Portugal tat. Sollte Deutschland nicht über die Flügel in den ungarischen Strafraum gelangen, wird der Ball häufiger durchs Zentrum gehen, wo es natürlich auch mal zu Ballverlusten kommen könnte. Genau dann strahlen auch die Ungarn Kontergefahr aus, insbesondere mit dem omnipräsenten Linksaußen Attila Fiola sowie Bundesliga-Profi Roland Sallai, der ebenfalls gerne über die linke Seite, also die Kimmich-Seite, angreift. 

Bei aller Euphorie in Deutschland wird auch das nächste Turnierspiel kein Selbstläufer. 


Alle Grafiken und Visualisierungen in diesem Artikel stammen aus der Twenty3 Toolbox. Es werden die Daten von Wyscout verwendet. 

Möchtest Du mehr über die Produkte und Angebote erfahren, dann melde Dich einfach bei Twenty3